Hammamet (Tunesien)
25.09. – 02.10.2002
Ein Reisebericht
Tunesien, das Tor zum Orient
Jedenfalls steht das so in der Reisebroschüre, die man ja bei Pauschalreisen gern mal am Flughafen überreicht bekommt (mit viel Werbung für die Tagesausflüge, die man auch buchen kann).
Die Landessprache ist Hocharabisch, in der Schule lernen die Tunesier erst mal Französisch, die meisten Dinge sind in beiden Sprachen ausgezeichnet. Allerdings versteht auch fast jeder Deutsch...Tunesien ist ein freigläubiges Land, obwohl der überwiegende Teil der Bevölkerung dem Islam angehört. Aber wer will, darf Christ sein, ohne dafür gevierteilt zu werden.
Tunesien hat römische Ruinen, Nomadenvölker, Steppen, Wüsten und Salzwüsten zu bieten, außerdem die Reste von Filmkulissen z. B. von "Star Wars", "Der englische Patient" und "Indiana Jones", aber wir haben uns auf einen einzigen Tagesausflug beschränkt und ansonsten nur den weißen, täglich frisch geharkten tunesischen Sandstrand genossen und im lauwarmen, flach abfallenden Meer gebadet. Für Kultur blieb einfach keine Zeit! ;-)
Bauen
Das Tor zum Orient hat sich vor allem für die Touristen weit geöffnet, jedenfalls drängt sich uns dieser Eindruck in der fast nur aus Hotels und einer kleinen Medina (Altstadt) bestehenden Stadt Hammamet auf.
Der Bus, der uns vom Flughafen zum Hotel bringt, fährt bestimmt eine halbe Stunde durch Hotels und Bauruinen, die mal Hotels werden sollen.
Es kommt uns so vor, als wäre jedes dritte Wohnhaus eine Baustelle. Uns wird erklärt, dass die Tunesier beim Häuslebauen keine Schulden machen, weshalb sie immer nur dann bauen, wenn wieder Geld da ist. Also herrscht eben öfter mal Stillstand auf dem Bau, und deshalb sieht man kaum ein Haus, das wirklich ganz fertig ist. Oft ist die Wand bis zum ersten Stock verputzt und gestrichen, im zweiten Stock fehlt noch der Putz und oben fehlen die Fenster. Auf den Straßen sieht es ähnlich aus – hier wird ebenfalls fleißig gebaut, und zwar überall mal ein Stückchen. Also muss man, wenn man auf dem Bürgersteig gehen will, oft die Seite wechseln, denn erst hat man links einen Bürgersteig, dann eine Baustelle, dann hat man rechts drei Meter Bürgersteig, dann eine Baustelle, und dann kommt auf der linken Seite nach fünf Metern auch schon wieder eine Baustelle.
Autofahren
Zum Glück hatten wir ohnehin nicht vor, ein Auto zu mieten – wir hätten wohl nur in ständiger Angst fahren können! Die Tunesier haben zwar auch eine Straßenverkehrsordnung, aber sie unterscheidet sich geringfügig von unserer. Es wird überholt und gebremst, wenn man Lust dazu hat, nicht, wenn die Verkehrslage es erlaubt. Die Autos sehen auch alle so aus, als hätten sie schon einige Male was auf die Stoßstangen bekommen. Besonders auffällig ist aber, dass man in Tunesien hupt. Immer.
Man hupt, wenn man überholt. Man hupt, wenn man bremst. Man hupt, wenn man ein anderes Auto sieht. Man hupt, wenn man abbiegt. Taxis hupen, wenn sie die an der Straße stehenden Touristen fragen möchten, ob sie ein Taxi brauchen. LKW hupen, wenn sie ein haltendes Taxi überholen und den Gegenverkehr davon in Kenntnis setzen wollen.
Wenn man wie wir das Hotelzimmer direkt an der Hauptstraße hat, kann man sich bei offenem Fenster nicht einmal unterhalten.
Ruhe hat man nur in der Zeit von zwei Uhr bis vier Uhr nachts – es fahren zwar immer noch jede Menge Autos, aber sie hupen weniger.
Für die Touristen fährt neben den Bussen der Reisegesellschaften auch noch die Bimmelbahn.
Unser Hotel
Im Prospekt steht, dass das Hotel über eine Boutique und einen Zeitungskiosk verfügt. Damit ist wohl die Rezeption gemeint, an der man die Bild-Zeitung und eine Postkarte (Hotelansicht) kaufen kann. Der angepriesene Fitnessraum ist vermutlich der Raum mit der Tischtennisplatte...
Die Entfernung zum Meer ist allerdings mit 200 m ziemlich genau angegeben, weiter ist es wirklich nicht – in der Luftlinie. ;-)
Am lustigsten ist eigentlich immer das Essen, da im Restaurant immer so um die fünf Kellner sind, die sich offensichtlich nie untereinander absprechen, wer welche Tische bedient. So werden wir meistens zweimal gefragt, was wir denn trinken wollen, aber zum Glück hat immer nur einer eine Rechnung gebracht! Einer der Kellner hätte auch der Rausschmeißer sein können, jedenfalls hat er immer sehr, sehr böse geguckt und sah so aus, als würde er morgens zum Wachwerdenimmer erst dreimal vor die Wand laufen.
Unser Zimmer ist laut Katalog "freundlich" eingerichtet. Ich finde braungemusterte Vorhänge (über eine Breite von fünf Metern!), dazu passende braune Überdecken, passende braune Hockerbezüge und eine passende braune Stoffverkleidung für den nicht funktionierenden Radiowecker nicht gerade freundlich, aber man kann sich schon wohlfühlen, wenn man die Vorhänge zusammengeschoben und die Überdecken weggelegt hat. ;-)
Wenn man der Putzfrau einen Dinar auf das Kopfkissen leg, faltet sie die Bettlaken kunstvoll zu Fächern zusammen, und an guten Tagen sind sogar fast keine Haare mehr auf dem Badezimmerfußboden!
An der Rezeption kann man auch seine Postkarten abgeben, die dann innerhalb einer tunesischen Arbeitswoche (4 – 14 Tage) versendet werden.
Nutzviehhaltung
Der tunesische Viehbesitzer macht sich keine Gedanken um Kälberhaltungsverordnung oder tierschutzgerechte Transportmittel. Kühe, Schafe und Ziegen müssen nicht im Stall gehalten werden, wenn man sie doch neben der Autobahn ohne Fahrbahnbegrenzung auch einfach so laufen lassen kann!
Na gut, die Kühe kann man sicherheitshalber ja noch an den Hörnern oder an den Vorderbeinen festbinden... und mehrere kleine Jungs und drei oder vier klapprige Hunde sorgen dafür, dass die Schafe und Ziegen nicht stiften gehen.
Esel dienen hier noch ganz klassisch zum Ziehen von kleinen Wagen, und Kühe transportiert man auf der offenen Ladefläche seines Kleinlasters. Frischer Wind um die Nase kann doch nicht schlecht sein!
Kleine Ziegen und Schafe tragen auch zum Verdienst der Familie bei: man drücke sie vorbeikommenden Tourist(inn)en auf den Arm, damit sie so fotografiert werden können – und schon bekommt man ein Trinkgeld!
Geld verdienen
Das geht so: man nehme ein Produkt, das niemand braucht, und drehe es den Touristen als typisch tunesisches Souvenir an. Kein Problem!
Produkt 1: die Wasserpfeife ohne Funktion. Sie ist günstiger als die Wasserpfeife, die man wirklich zum Rauchen nehmen kann, und der Tourist kann zuHause damit angeben.
Produkt 2: Jasminblüten, zu Kränzen geflochten oder zum Ministrauß gebunden. Besonders kleine Kinder laufen damit herum und halten einem die stark duftenden Blüten direkt unter die Nase, damit man dann für einen Dinar (~77 Eurocent) etwas kauft, dass innerhalb der nächsten Stunden zur Unkenntlichkeit verdorrt. Gibt´s am Strand, in der Kneipe, im Restaurant, in der Stadt, überall!
Produkt 3: hässliche kleine Stoffkamele für einen Dinar. Die Dinger sind so zusammengeflickt, dass man so eben noch den Höcker erkennt und darauf schließt, dass es sich um Kamele handelt soll. Trick der Straßenverkäufer: Dem Touristen das Kamel in die Hand drücken, "Umsonst, umsonst!!" rufen und dann ein Trinkgeld verlangen, wenn der Tourist dumm genug ist, seine Hände nicht hinter dem Rücken zu verschränken. Wenn der Tourist wider Erwarten schlauerweise das "Geschenk" nicht annimmt, sondern den Kopf schüttelt, "nein" schreit, böse guckt und versucht, weiterzugehen, drückt man es ihm einfach vor die Brust und lässt los – dann wird er es schon auffangen! Wenn er es fängt, will er es haben – klar. Also kann er auch ein Trinkgeld dafür bezahlen. Wenn er es nicht fängt, landet es eben auf der Straße, aber das macht nichts, denn staubig sind die Tierchen sowieso schon.
Weitere Verkaufsschlager sind Fotos mit Einheimischen, Fotos mit einem Falken, den der schlaue Verkäufer zufällig dabei hat, am Strand natürlich Obst und Getränke, kleine Palmen, Perlenketten, Zigaretten stangenweise, Teppiche (!! am Strand !!) und in der Stadt immer mal wieder Marihuana, was als einziges Produkt nur im Flüsterton angeboten wird. Wer weiß, um was es sich da wirklich handelt...
Wochenmarkt
In jeder Stadt gibt es einen Wochenmarkt. Der in Hammamet ist nicht so berühmt wie der in Nabeul, aber letztendlich ist das wohl Jacke wie Hose, da es überall eigentlich genau die gleichen Dinge zu kaufen gibt. Es gibt an fast jedem Stand in jeder Stadt in jeder Straße Keramikschüsseln in allen Größen mit den immer gleichen Mustern (Kamele, orientalische Teppichmuster, Oliven), Kamele (aus Stoff, aus Holz, aus Plastik) in jeder Größe, Ledersandalen handgemacht, Wasserpfeifen mit und ohne Funktion, Kacheln mit tunesischen Motiven (siehe Keramik), Teppiche, getrocknete Schlangen und Skorpione im Holzkästchen, aus Holz geschnitzte Schachbretter, "echt" tunesische Kleidung und Schüsseln aus Olivenbaumholz.
Auf dem Wochenmarkt kaufen nicht ausschließlich Touristen ein, deshalb gibt es hier auch andere Dinge, die man so brauchen könnte: alte Autoreifen, alte Bohrmaschinen, billige Nachahmungen von Markenuhren und Markenkleidung, Sofas und lebende Schildkröten.
Und – egal, wie voll es ist: mittendurch fahren auch mal Autos.
Feilschen
Einkaufen geht so: man möchte ein Set Holzschüsseln. Also sieht man sich die Holzschachspiele an. Der Verkäufer beteuert, wie toll, gut, günstig und überhaupt wunderbar dieses Spiel ist. Man fragt nach dem Preis und ist nicht mehr interessiert. Rein zufällig fällt der Blick auf die Holzschüsseln. Man fragt auch hier nach dem Preis. "150 Dinar." Also etwa 120 Euro. Man dreht sich entrüstet um, wird aber sofort vom Verkäufer festgehalten mit der Aufforderung "Du musst handeln!" Wie bei "Life of Brian"...
Er fragt, was man denn maximal dafür bezahlen würde. Man sagt 15 Dinar. Er ist entsetzt! Er erzählt von dem Ruin, in den man ihn treibt, von dem Chef, der allein ja schon 15 Dinar Anteil hätte und dass er uns einen guten Preis macht: 60 Dinar. Aha. Geht doch.
Wir bleiben bei 15 Dinar. Er sagt 40. Wir gehen.
Er hält uns fest, sagt 20 Dinar. Wir sagen 15. Er sagt, okay, 18, und nimmt die Schüsseln, packt sie in eine Plastiktüte und drückt sie uns in die Hand. Wir sagen 15 Dinar, keinen Millim mehr. Er fängt wieder vom Chef an, und dass er dem ja schon 15 Dinar geben muss. Da müssten wir für ihn doch wenigstens noch ein kleines Trinkgeld geben – 17 Dinar?
Wir drücken ihm die Tüte wieder in die Hand und bestehen auf 15, andernfalls kaufen wir eben doch nicht. Wutentbrannt gibt uns der Händler auf den 20-Dinar-Schein fünf einzelne Dinarmünzen heraus, um sich dann gleich wieder zwei davon als Trinkgeld nehmen zu wollen – was wir nicht zulassen. Offensichtlich sauer dreht er sich um und redet kein Wort mehr mit uns.
Wir haben alles richtig gemacht!
Am nächsten Stand fragt mich einer, der meine Holzschüsseln in der Tüte sieht, was ich dafür bezahlt habe. Ich denke nicht drüber nach und sage 10 Dinar. Er zieht mich am Arm zu seinen eigenen Holzschüsseln und will mir ein zweites Set für weitere 10 Dinar verkaufen.
Wir haben wohl doch nicht alles richtig gemacht...
Teppichknüpfen
Man kann kostenlos an einer Führung zu einem Teppichhersteller teilnehmen, wo man natürlich auch besonders günstig Teppiche kaufen kann. Das erinnert etwas an Kaffeefahrten, ist auch so. Wir besichtigen also den Teppichhandel und finden im Keller zwei Frauen beim Knüpfen. Sie knüpfen ohne Vorlage komplizierte Muster, und wir sind beeindruckt. Der Chef erklärt uns, dass jede Frau nur ein einziges Muster kennt, das ihr von der Mutter beigebracht wurde. Jede Familie hat ihr eigenes Muster, und das wird immer an die Töchter weitergegeben.
Eine der Frauen winkt mich zu sich und zeigt mir, wie man einen Knoten macht. Nachdem sie mir zwei Knoten gezeigt hat, soll ich auch mal knüpfen. Wahrscheinlich habe ich jetzt mehrere Stunden Arbeit versaut... ;-)
Die Frauen arbeiten acht Stunden am Tag für 3,5 Dinar, also etwa 2,70 Euro. An einem Teppich arbeiten sie mehrere Monate lang. Eigentlich unglaublich, dass man Teppiche für 600 Dinar kaufen kann – wer würde in Europa für so wenig Geld soviel arbeiten??
In Tunesien tun das sehr viele Frauen, denn die beiden, die hier im Keller hocken, sind nur zu Demonstrationszwecken da. Die meisten Teppiche werden in einer riesigen Fabrik mit Hunderten von Angestellten geknüpft.
Uns werden noch die Teppichmuster, die verschiedenen Qualitäten und die Preise erklärt, und als wir nichts kaufen, schickt uns der Chef noch mal kurz in seinen Souvenirladen, wo er wenigstens einer Frau aus unserer Gruppe etwas andrehen kann.
Die Medina
Wir lassen uns durch die Medina führen. Das ist die Altstadt, die von einer hohen Mauer umgeben ist. Im Inneren sind die Häuser dicht an dicht gebaut, die Gassen sind meistens nicht viel breiter als einen Meter. Das hatte früher durchaus einen Sinn, nämlich bessere Verteidigungsmöglichkeiten im Angriffsfall.
Ein kleines Häuschen wird uns als Museum vorgestellt. Hier kann man traditionelle Trachten undBrautkleider in einem original tunesischen Haus ansehen, und Fotografieren wird ausdrücklich erlaubt. Wir haben keine Lust auf Kleider, zahlen den Dinar Eintritt aber trotzdem, weil man von der Dachterrasse aus einen schönen Blick über die Medina hat.
Für die Kleider hätte es sich auch wirklich nicht gelohnt – es sind mehr oder weniger kaputte Kostüme, die jemand überwiegend lieblos über verbogene Kleiderbügel drapiert und an die Wand gehängt hat. Aber die Aussicht ist ganz schön.
An den Haustüren fallen uns die Türklopfer auf: sie stellen Hände dar. Es handelt sich hierbei um die Hand Fatimas, die für die Frau im Haus steht. Eine Tür mit einer Hand bedeutete ursprünglich, dass hier ein Mann mit einer Frau lebt, eine Tür mit zwei Händen entsprechend, dass ein Mann mit zwei Frauen lebt. Der Stadtführer erklärt uns mit Bedauern in der Stimme, dass jetzt aber seit einigen Jahren die Mehrehe nicht mehr erlaubt ist.
Deutsch-Tunesisch
Es scheint, als hätten die deutschen Touristen einen großen Einfluss auf Tunesien. Jeder, der etwas verkaufen will (also fast jeder), spricht ein paar Brocken Deutsch. Und natürlich versuchen auch alle, etwas in deutscher Sprache zu schreiben. Dabei kommt dann heraus:
Lecketeien
nach Vunsch
FleichSchtück
Schwimming Pool
schritzel und Spiege leier
Schöne Urlaub in Tuneisen
und jede Menge lustige Wortkreationen, in denen an den unmöglichsten Stellen Pünktchen über Buchstaben stehen.
Natürlich kommt man dem Wunsch des deutschen Touristen nach, im Ausland möglichst genauso zu essen wie zu Hause, also gibt es hier nicht nur ein Brauhaus mit Bier, das nach bayrischem Reinheitsgebot gebraut wird, sondern auch die Restaurants "Zum Alten Fritz" und "Zur Lindenstraße – bei Mutter Beimer".
Besondere Freude haben wir aber an dem Mann, der jeden Tag am Strand entlang geht und seine Krapfen anbietet. Jemand hat ihm wohl einige Brocken Deutsch beigebracht, und offensichtlich ist er der Ansicht, dass das, was er da verkauft, Pfannekuchen sind, oder auch in englischer Sprache Donuts. Also singt er den ganzen Tag "Donuts, Donuts, Pfannekuchen, leckerschmecker, kaufen, essen, schmeckt gut, Donuts, Pfannekuchen, Pfannekuchen, schmeckt gut, ist gut, leckerschmecker, schmeckerschmecker, kaufen, probieren, probieren!!"
Zwischendurch bleibt er direkt vor dem Handtuch stehen, auf dem man liegt, und ruft über den Rand des Buches, das man zum Schutz gegen seine Aufdringlichkeit direkt vor die Augen hält "Hallo??" Wenn man dann den Fehler macht, sich angesprochen zu fühlen, versucht er, einem die Vorzüge seiner Krapfen deutlich zu machen, indem er noch mehrfach betont, dass die sehr leckerschmecker sind - und "besser geht schlecht ohne Geld" - was auch immer das heißt.
Wenn man sehr, sehr energisch kundtut, dass man wirklich nichts kaufen will, OBWOHL die Dinger leckerschmecker sind, geht er weiter und singt wieder "Donuts, Donuts, Pfannekuchen, leckerschmecker, probieren!!" und man hat für eine halbe Stunde Ruhe, bis er wiederkommt.
Karthago
Cetero censeo carthaginem esse delendam!
Im Übrigen bin ich der Meinung, Karthago muss zerstört werden, sagte einst der Römer Cato.
Mit dieser Meinung war er offensichtlich nicht allein, denn die Mittelmeermetropole wurde insgesamt dreimal völlig zerstört. Von Römern zuerst, und zwar während des dritten punischen Krieges, dann noch mal von Byzantinern (glaube ich) und zuletzt von Vandalen, die dann auch wirklich gar nichts mehr übrig gelassen haben. Was man noch sieht, ist das Hafenbecken, von dem aus Hannibal (der mit den Elefanten) seine Feldzüge in Richtung Rom startete, wenn er nicht gerade auf Elefanten ritt. Allerdings erkennt man nichts mehr von der einstigen Größe des Hafens, denn es ist eigentlich nur noch ein viereckiges, wassergefülltes Loch mit Meeresverbindung übrig geblieben.
Etwas mehr steht noch von den Thermen des Antonius. Hier wurde zwar auch alles zerstört, was mal oberirdisch war, aber das Kellergeschoss ist noch ziemlich gut erhalten.Das moderne Karthago ist entstanden, weil es in der Nähe von Tunis liegt und hier der Regierungssitz des Präsidenten ist. Auf Grund der geringen Entfernung zu ihrem Arbeitsplatz haben jede Menge Botschafter und Regierungsangestellte hier ihre Häuser gebaut – auf den Ruinen des alten Karthago.
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Wenn man in den Thermen des Antonius fotografiert, sollte man auf keinen Fall zufällig oder absichtlich die weiße Mauer vor den Sucher kriegen, die dort gebaut wurde, um den Präsidentenpalast abzuschirmen. Das könnte zur Folge haben, dass erboste Sicherheitsbeamte mit großen Gewehren darauf bestehen, dass man den Film aus der Kamera zieht. Dabei scheint der Präsident eine überaus beliebte Person zu sein, immerhin ziert sein Bild jeden Supermarkt, die Rezeption im Hotel, das Kassenhäuschen in Karthago und jeden kleinen Ramsch-Laden. ;-)
Es heißt, dass Geschäftsbesitzer, die sein Bild nicht aufhängen, als Verräter gelten. Wer dort einkauft, ist natürlich auch ein Verräter... also macht man lieber an der Wand ein bisschen Platz zwischen den Teppichen und hängt den Präsidenten auf!
Der kleine Ort Sidi Bou Said
Sidi heißt Herr, Bou heißt Vater und Said (eigentlich mit zwei Punkten über dem i) ist der Name des Mannes, der diese kleine Stadt dereinst am Meer gegründet hat. Analog dazu könnte man also in Deutschland einen Ort auch Herr Vater Müller nennen.
Sidi Bou Said hat eigentlich nichts Besonderes zu bieten, aber trotzdem ist es mit Touristen überfüllt, da jemand beschlossen hat, dass die Häuser im maurischen Stil alle nur in weiß gestrichen und mit blauen Türen, Fenstern und Balkonen verziert werden dürfen. So ergeben sich natürlich vor blauem Meer und blauem Himmel mit weißen Wölkchen malerische Motive für den touristischen Fotoapparat.
Selbstverständlich wird betont, dass schon August Macke und Paul Klee hier Inspiration gefunden haben, und man kann im gleichen Café sitzen wie damals diese beiden Maler und sich zum Kauf einer Wasserpfeife oder eines Teppichs gleich im Laden nebenan inspirieren lassen.
Man kann aber auch in den touristenleeren Nebengassen herumspazieren und den Blick aufs Meer genießen!
Essen in Tunesien
Wer nicht nur Vinner schritzel oder gegrilltes Kalbswurstschen essen will, sondern die einheimischen Spezialitäten kennen lernen will, der muss wohl mal brik essen. Brik ist ein gefülltes Blätterteigblatt, meistens ist ein halbrohes Ei mit Fleisch und Gemüse drin. Dann gibt es noch salzige Würstchen, Merguez genannt, die man z. B. auf Pizza essen kann. Bekannter sind aber Couscous, das tunesische Nationalgericht (wobei man sich bei solchen Ausdrücken natürlich fragen muss, wer das festlegt und ob das deutsche Nationalgericht Currywurst Pommes oder eher Wiener Schnitzel ist), und als Vorspeise Brot mit Olivenöl und Harissa, einer verdammt scharfen Sauce aus Paprikaschoten, Knoblauch und Gewürzen.
An Getränken steht Wasser ohne Kohlensäure, genannt Safia, oder mit Kohlensäure, genannt Garci, zur Verfügung. Schwarzer Tee mit Pfefferminzblättern drin wird überall, auch am Strand, angeboten und lässt die Fußnägel hochklappen, weil er so stark ist, aber gut! Natürlich gibt es auch tunesischen Wein, und aus Feigen und Datteln, den typischen tunesischen Früchten, kann man nicht nur sehr leckere Marmelade, sondern auch Schnaps machen. Mir bis dahin unbekannt war der Geschmack der Kaktusfeige - ist aber sehr empfehlenswert!
Das Wetter
Angeblich ist es für den Durchschnittseuropäer im Sommer viel zu heiß in Tunesien. Wir können den Herbst nur empfehlen – an den meisten Tagen konnten wir morgens um acht am Strand liegen, und das haben wir oft auch bis um fünf Uhr nachmittags getan. Das Wasser hat fast Badewannentemperatur, und ein leichter Wind sorgt dafür, dass man nicht allzu sehr schwitzt. Für die Tunesier schien es allerdings fast ein bisschen kalt, jedenfalls hatten sie oft Pullover und Jacken an, wenn wir nur Badesachen trugen. Jemand in einer dicken Jacke kann einem am Strand schon etwas komisch vorkommen, wenn man gerade im Bikini vor sich hin brutzelt...
Zurück nach Hause
Leider mussten wir schon um drei Uhr nachts in den Bus steigen, der uns zum Flughafen fahren sollte. Das orientalische Chaos am Flughafen führte dazu, dass manch frisch erholter Urlauber wutentbrannt den Koffer eines anderen trat, weil er durch die eine Menschenschlange hindurch musste, um zu der Schlange an einem anderen Check-in-Schalter zu gelangen. Und weil die Schlangen so wild durcheinander standen, dass man bis zum Ende nicht so genau wusste, ob man für Hannover oder Berlin ansteht, kam es zu einigen Streitereien.
Wir waren dazu viel zu müde...
Wenn wir noch mal nach Tunesien fliegen, bestehe ich darauf, dass wir die Wüste und den Ort besuchen, an dem Luke Skywalker aufgewachsen ist! ;-)
Hannover, 6.10.2002